M5-E1

E1, TL Studienbrief

Was bedeuten „I“ und ME“ bei George Herbert Mead? (Langversion)

Für die Psychologie sind aus Meads Werk besonders dessen soziogenetische Gedanken zum Selbst interessant. Nach Mead entsteht das Selbst in und durch soziale Austauschprozesse, doch wird es gleichzeitig personseitig konstruiert. Für Mead sind I und ME unterscheidbare, jedoch aufeinander bezogene Phasen des Selbst.
Das ME stellt die strukturelle, konventionelle und über die Zeit stabile Komponente des Selbst dar. Es repräsentiert die internalisierten
Haltungen „sozialer Anderer“, als generalized other letztendlich Gesellschaft an sich. Das ME entsteht durch Rollenübernahme, vorrangig im kindlichen (Rollen-)Spiel, durch Kommunikation und andere symbolische Prozesse.

Das ME ist also ursprünglich konventionell, während das I immer wieder Neuheit generiert. Das I ist dabei nicht unmittelbar zugänglich, sondern erst nachträglich, als Teil eines eben durch das I restrukturierten ME. Am veränderten ME kann man das I erkennen. Das ME repräsentiert die Vergangenheit, das I die irreversible Dynamik der Gegenwart, die zur Restrukturierung des ME in der Zukunft führt. Das I ist dabei nicht vorhersagbar, seine Dynamik wird nicht durch die aktuelle Situation determiniert.

Für Mead sind sowohl I – individuelle Autonomie und Dynamik – wie auch das ME – die aus sozialen Prozessen hervorgegangene Struktur – essentiell für das Verständnis des Selbst. Das I ist ein Prozess, der Strukturen durchbricht und verändert. Das ME ist dabei die symbolische Struktur, die die Operation des I erst möglich macht.

 

Auch in der Bindungstheorie, die auf John Bowlby (1907 -1990) zurückgeht, geht man davon aus, dass das kindliche Selbst aus sozialen Erfahrungen hervorgeht. Durch die fürsorgliche Haltung anderer (in erster Linie die Mutter) dem Kind gegenüber lernt und weiß das Kind, dass es ein liebenswerter Mensch ist. Im Vergleich zu Mead jedoch betont die Bindungstheorie die strukturelle/ statische Seite des Selbst weit mehr als die dynamische Komponente.

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